Die Aussicht auf eine neue US-Regierung unter Donald Trump wirft Fragen zum transatlantischen Datenschutz auf. Insbesondere Unternehmen, die personenbezogene Daten aus der EU in die USA übermitteln, müssen mögliche politische Änderungen im Blick behalten. Der transatlantische Datenverkehr ist essenziell für Handel und digitale Dienste – eine Störung dieses Rahmens könnte daher gravierende Folgen für Wirtschaft und Datenschutz haben . Im Folgenden beleuchtet dieser Beitrag das aktuelle EU-US Data Privacy Framework (DPF) und analysiert, welche Auswirkungen eine neue Trump-Administration darauf haben könnte. Zudem werden mögliche künftige Entwicklungen skizziert – einschließlich relevanter US-Gesetze wie dem CLOUD Act – und praktische Maßnahmen empfohlen, mit denen sich Unternehmen auf Unsicherheiten vorbereiten können.
Das aktuelle EU-US Data Privacy Framework (DPF)
Das EU-US Data Privacy Framework (DPF) ist der Nachfolger des 2020 vom EuGH für ungültig erklärten „Privacy Shield“. Am 10. Juli 2023 hat die Europäische Kommission einen Angemessenheitsbeschluss zum DPF angenommen. Dieses Abkommen bestätigt, dass die USA für zertifizierte Unternehmen ein den EU-Datenschutzstandards angemessenes Schutzniveau gewährleisten. Personenbezogene Daten können seither wieder aus der EU in die USA fließen, ohne zusätzliche Schutzmaßnahmen, sofern der US-Datenempfänger DPF-zertifiziert ist. EU-Datenexporteure müssen vorab prüfen, ob der US-Partner auf der offiziellen Zertifizierungsliste des US-Handelsministeriums steht. Für Unternehmen und betroffene Personen schafft das DPF somit zunächst Rechtssicherheit.
Das DPF basiert – wie ehemals das Privacy Shield – auf einer freiwilligen Selbstzertifizierung von US-Unternehmen beim Handelsministerium. Teilnehmende US-Unternehmen verpflichten sich, die Datenschutz-Grundprinzipien des DPF einzuhalten, z.B. Zweckbindung, Datenminimierung, Weitergabebeschränkungen und Rechte der Betroffenen. Diese DPF-Prinzipien orientieren sich an den Vorgaben der DSGVO, um ein „angemessenes“ Datenschutzniveau sicherzustellen. Ein US-Unternehmen muss etwa eine Datenschutzerklärung bereitstellen, Betroffenenrechte (z.B. Auskunft, Berichtigung, Beschwerde) gewährleisten und bei Weitertransfer an Dritte für entsprechenden Schutz sorgen.
Zur Durchsetzung der Pflichten unterliegt das DPF einer behördlichen Überwachung und Sanktionsmöglichkeit in den USA. Die US-Handelsaufsicht FTC kann Verstöße gegen die DPF-Zusagen als unlautere Geschäftspraktiken nach Section 5 FTC Act ahnden. Die FTC hat ihre „entschlossene Durchsetzung“ der DPF-Regeln zugesichert und arbeitet mit europäischen Datenschutzbehörden zusammen, um den Schutz von Verbraucherrechten beiderseits des Atlantiks zu gewährleisten. Zusätzlich wurde ein unabhängiges Schiedsstellen- und Ombudsmann-Verfahren eingerichtet, damit betroffene EU-Bürger Beschwerden über US-Unternehmen oder behördliche Zugriffe vorbringen können. Insgesamt stellt das DPF damit einen Mechanismus bereit, der den transatlantischen Datentransfer in Einklang mit EU-Recht ermöglichen soll.
Schrems II und die Grundlage des DPF: Das EU-US Data Privacy Framework wurde nicht zuletzt geschaffen, um den Bedenken des EuGH im „Schrems II“-Urteil gerecht zu werden. Der EuGH hatte den Vorgänger Privacy Shield im Juli 2020 gekippt, weil US-Rechtsvorschriften unkontrollierte Massenüberwachung ermöglichten und EU-Bürgern kein wirksamer Rechtsschutz dagegen offenstand. Insbesondere fehlten Beschränkungen auf das „notwendige“ und „verhältnismäßige“ Maß bei Zugriffen US-amerikanischer Geheimdienste, und es gab keinen unabhängigen gerichtlichen Rechtsbehelf für EU-Betroffene. Zur Behebung dieser Defizite hat die US-Regierung – zunächst unter Präsident Trump und dann finalisiert unter Präsident Biden – verschiedene Zusagen gemacht. Im Oktober 2022 erließ Präsident Biden die Executive Order 14086, die klar definierte Vorgaben für nachrichtendienstliche Datenerhebungen aufstellt. US-Geheimdienste dürfen demnach nur noch auf EU-Daten zugreifen, wenn dies zur Erreichung definierter Sicherheitsziele erforderlich und in verhältnismäßiger Weise erfolgt.
Diese Vorgaben ähneln dem Grundsatz der Datenminimierung unter der DSGVO und waren entscheidend, um ein „angemessenes“ Datenschutzniveau feststellen zu können. Außerdem wurde ein zweistufiger Rechtsbehelfsmechanismus eingeführt: Zunächst können EU-Bürger sich an einen Civil Liberties Protection Officer (CLPO) wenden, der Beschwerden über unrechtmäßige Überwachung prüft und Abhilfe schaffen kann. Anschließend steht als unabhängige Instanz ein „Data Protection Review Court“ (DPRC) zur Verfügung, der die Entscheidungen des CLPO überprüft und verbindliche Abhilfemaßnahmen anordnen kann. Diese neuen Garantien – zusammen mit der fortbestehenden Rolle des Privacy and Civil Liberties Oversight Board (PCLOB) zur Kontrolle der Nachrichtendienste – bildeten die Grundlage dafür, dass die EU-Kommission den Angemessenheitsbeschluss für das DPF erlassen hat.
Für europäische und US-Unternehmen ist das DPF inzwischen ein wichtiger „Brückenschlag“ im Datenschutz geworden. Über 2.800 Unternehmen – von großen Technologiekonzernen bis zu Mittelständlern aus Finanz-, Beratungs-, Handels- und Tourismussektor – haben sich bereits selbst zertifiziert. Sie und ihre europäischen Geschäftspartner profitieren von reibungslosen Datentransfers ohne den administrativen Aufwand zusätzlicher Vertragssicherungen. Angesichts eines transatlantischen Dienstleistungshandels im Wert von rund 2 Billionen USD jährlich haben sowohl die EU als auch die USA ein starkes Interesse, diese Datenströme durch ein belastbares Abkommen abzusichern.
Mögliche Auswirkungen einer neuen Trump-Regierung auf das DPF
Eine Wiederkehr Donald Trumps ins Weiße Haus könnte das noch junge Data Privacy Framework vor erhebliche Herausforderungen stellen. Zwar hatte die erste Trump-Regierung (2017–2021) das Privacy Shield weitgehend unangetastet gelassen, um Handelskonflikte zu vermeiden. So blieb beispielsweise die von Obama erlassene Presidential Policy Directive 28 (PPD-28), welche gewisse Datenschutzrechte auf Ausländer erstreckte, unter Trump I in Kraft. Doch für Trump II kündigen sich potenziell andere Prioritäten an: Trump hat im Wahlkampf 2024 angekündigt, zahlreiche Erlasse seines Vorgängers Joe Biden rückgängig zu machen. Dazu zählen möglicherweise auch Maßnahmen, die für das DPF zentral sind – insbesondere Bidens Executive Order 14086, welche die neuen Geheimdienst-Schranken zur DPF-Umsetzung enthält.
Sollte eine Trump-Regierung diese Order aufheben oder verwässern, stünde die rechtliche Grundlage des DPF auf dem Spiel. Experten warnen, dass jede substanzielle Änderung von EO 14086 das Abkommen gefährden und transatlantische Datenübermittlungen wieder ins Chaos stürzen würde. Die Folge wäre ein erneutes Vertrauensdefizit in die USA als Datenempfänger und erhebliche Unsicherheit für Unternehmen.
Bereits in den ersten Tagen der neuen Amtszeit 2025 zeigen sich Anzeichen einer veränderten Haltung gegenüber den Datenschutz-Komponenten des DPF. Am 21. Januar 2025 (dem ersten Tag der Präsidentschaft) unterzeichnete Trump eine Anordnung, wonach alle nationalen Sicherheitsentscheidungen der Biden-Ära – einschließlich jener, auf denen das DPF beruht – binnen 45 Tagen überprüft und ggf. aufgehoben werden sollen. Dieses Moratorium deutet an, dass wesentliche Elemente wie EO 14086 zur Disposition stehen. Zwar würde eine Aufhebung solcher Biden-Dekrete nicht automatisch alle EU-Datenübermittlungen illegal machen, doch stiege der Druck auf die EU-Kommission, ihren Angemessenheitsbeschluss zu widerrufen. Sollten die zentralen Garantien, auf die die EU ihr „grünes Licht“ gestützt hat, wegbrechen oder dysfunktional werden, müsste die Kommission das Abkommen konsequenterweise aussetzen oder aufkündigen.
Neben direkten Eingriffen in die Grundlagen des DPF könnten auch indirekte Veränderungen unter Trump II die Stabilität des Rahmens untergraben. So erließ Trump im Februar 2025 eine Executive Order „Ensuring Accountability for All Agencies“, die vorsieht, dass unabhängige Behörden – darunter auch die FTC – wichtige Entscheidungen der Vorabprüfung durch den Präsidenten unterwerfen müssen. Beobachter befürchten, dass dadurch die Unabhängigkeit der FTC als Durchsetzungsbehörde der DPF-Regeln eingeschränkt werden könnte. Sollte die FTC politischen Weisungen unterliegen, stünde die von der DSGVO geforderte unabhängige Aufsicht über das Schutzniveau (GDPR Art. 45 Abs. 2 Buchst. b) infrage.
Ebenso alarmierend war die gemeldete Entlassung der drei demokratischen Mitglieder des Privacy and Civil Liberties Oversight Board (PCLOB) im Januar 2025. Mit nur noch einem von fünf Mitgliedern ist dieses Kontrollgremium derzeit beschlussunfähig, was die fortlaufende Überwachung der Geheimdienst-Einhaltung und die jährliche Überprüfung des DPF-Redress-Mechanismus beeinträchtigen könnte. Zwar kann Trump neue Mitglieder ernennen, doch bis zur Wiederherstellung der PCLOB-Funktionsfähigkeit ist ein wichtiger Baustein der im DPF vorgesehenen Kontrollinstanzen geschwächt. Max Schrems – dessen Klagen bereits Safe Harbor und Privacy Shield zu Fall brachten – kommentierte, dass die amerikanischen Aufsichtsmechanismen offenbar „nicht einmal die ersten Tage einer Trump-Präsidentschaft überstehen“.
Risiken für europäische Unternehmen
Sollte das Data Privacy Framework durch politische Entscheidungen der Trump-Administration faktisch außer Kraft gesetzt oder von der EU-Seite widerrufen werden, drohen erhebliche Unsicherheiten für datenexportierende Unternehmen. Tausende von EU-Unternehmen und selbst öffentliche Stellen stützen sich derzeit auf das DPF, etwa um US-Cloud-Dienste wie Google, Microsoft oder Amazon datenschutzkonform zu nutzen. Fällt diese Grundlage weg, müssten sie kurzfristig auf andere Transfermechanismen umsteigen oder Datenflüsse in die USA aussetzen, um nicht gegen die DSGVO zu verstoßen.
Transatlantische Datentransfers würden praktisch erschwert oder ganz zum Erliegen kommen, was die transnationale Zusammenarbeit und Geschäftsmodelle massiv beeinträchtigen könnte. Besonders kritisch wäre dies für Branchen, die auf Echtzeit-Datenzugriff über den Atlantik angewiesen sind (z.B. Cloud-Services, Online-Dienstleistungen, konzerninterne IT-Systeme). Rechtlich müssten Firmen ohne DPF beispielsweise Standardvertragsklauseln implementieren und umfangreiche Datenschutz-Folgenabschätzungen (Transfer Impact Assessments) durchführen – ein zeit- und ressourcenintensiver Prozess, der insbesondere KMUs überfordern könnte. Zudem besteht das Risiko von Bußgeldern und Schadensersatzklagen, falls Unternehmen die neuen Anforderungen nicht umgehend erfüllen und weiterhin personenbezogene Daten auf unsicherer Grundlage in die USA übermitteln.
Politische und juristische Herausforderungen einer Aufkündigung
Ein Ende des DPF würde nicht isoliert erfolgen, sondern die transatlantischen Beziehungen belasten. Die EU-Kommission hatte das Abkommen auf höchster politischer Ebene mit der US-Regierung vereinbart. Eine einseitige Abkehr durch die USA könnte als Vertrauensbruch gewertet werden und die EU zu Gegenmaßnahmen veranlassen. Denkbar wären verstärkte Durchsetzungen durch EU-Datenschutzbehörden, um Datenflüsse in die USA „abzudrehen“ – ein Szenario, das bereits während der Verhandlungspause nach Schrems II im Raum stand. Unternehmen sähen sich dann möglicherweise mit Anordnungen konfrontiert, Dienstleistungen zu suspendieren oder Datenspeicher in die EU zu verlagern.
Juristisch könnte eine vorschnelle Aufhebung der US-Zusagen zudem den bereits anhängigen Gerichtsverfahren („Schrems III“) Vorschub leisten, in denen das DPF vom EuGH auf den Prüfstand gestellt wird. Insgesamt würden Transparenz und Berechenbarkeit im transatlantischen Datenschutz stark leiden, was Investitionen und Innovation erschwert. Auch aus US-Perspektive wäre das ein Eigentor: Die Unterbrechung von Datenflüssen würde als Handelshemmnis US-Unternehmen vom EU-Markt ausschließen und das Vertrauen europäischer Kunden in US-Dienstleister erschüttern. Es überrascht daher nicht, dass selbst einflussreiche Stimmen in den USA dafür plädieren, das DPF nicht anzutasten, da der „Preis“ für eine Aufkündigung hoch wäre.
Mögliche zukünftige Entwicklungen im transatlantischen Datenschutz
Angesichts der Fragilität politischer Abkommen wie des DPF stellt sich die Frage: Wie kann der Datentransfer EU–USA künftig rechtssicher gestaltet werden? Einige Szenarien und Alternativen zeichnen sich ab:
Fortbestand oder Anpassung des DPF
Das günstigste Szenario wäre, dass auch eine Trump-Regierung – aus wirtschaftlichem Eigeninteresse – die Substanz des Data Privacy Framework unangetastet lässt. Wie beim Privacy Shield 2017 könnte man versuchen, das Abkommen zu bewahren, um Unternehmen Planungssicherheit zu geben. Möglich ist aber auch, dass Nachverhandlungen stattfinden: Sollte der EuGH in einem kommenden Urteil (Schrems III) bestimmte Aspekte des DPF beanstanden, könnten EU und USA erneut Nachbesserungen (z.B. zusätzliche Auflagen oder Klarstellungen) vereinbaren, um ein völliges Scheitern zu vermeiden.
Ein Indiz dafür: Der Heritage-Stiftung nahe Plan „Project 2025“ empfahl für den neuen US-Präsidenten ausdrücklich keine Aufhebung von EO 14086, sondern lediglich eine Prüfung – was die Bedeutung des DPF für Datenflüsse und als Verteidigung im EuGH-Verfahren anerkennt. In einem stabilen transatlantischen politischen Klima wäre sogar denkbar, das DPF zu einem umfassenderen Datenschutzabkommen auszubauen, um dessen langfristige Tragfähigkeit zu erhöhen.
Standardvertragsklauseln und Binding Corporate Rules
Unabhängig von staatlichen Abkommen existieren im Datenschutzrecht bewährte alternative Transferinstrumente. Bereits jetzt greifen viele Unternehmen auf EU-Standardvertragsklauseln (Standard Contractual Clauses – SCCs) zurück, um Datenübermittlungen in Drittstaaten rechtlich abzusichern. Sollten Privacy Shield und DPF auch künftig scheitern, werden SCCs das Rückgrat der transatlantischen Datenflüsse bleiben. Die EU-Kommission hat 2021 modernisierte SCC-Muster beschlossen, die bei korrekter Implementierung ein hohes Schutzniveau bieten – allerdings verlangen auch sie eine Prüfung des Empfängerland-Rechts und ggf. zusätzliche Schutzmaßnahmen („Schrems II“-Prüfung).
Große multinationale Konzerne können zudem auf Binding Corporate Rules (BCRs) setzen – verbindliche Unternehmensrichtlinien, die von EU-Aufsichtsbehörden genehmigt wurden. BCRs ermöglichen konzerninterne Transfers z.B. zwischen EU-Töchtern und US-Muttergesellschaften und binden den gesamten Konzern an EU-Datenschutzstandards. Sie sind jedoch aufwändig in der Erstellung und Zertifizierung, weshalb sie primär von Großunternehmen genutzt werden. Ohne DPF würden SCCs und BCRs wieder vom „Fallback“ zur Hauptlösung für EU-US-Transfers avancieren. Unternehmen sollten deshalb bereits jetzt sicherstellen, dass sie diese Instrumente rechtssicher anwenden können – im Idealfall parallel zum DPF als Backup-Lösung.
Neuverhandlungen oder gesetzliche Lösungen
Sollte der transatlantische Datenschutzrahmen erneut kollabieren, könnten EU und USA perspektivisch einen grundsätzlich anderen Ansatz ins Auge fassen. Eine Option, die immer wieder diskutiert wird, ist ein völkerrechtlicher Vertrag oder ein US-Bundesgesetz, das Ausländern explizite Datenschutzrechte einräumt. So hatte es etwa 2016 den Judicial Redress Act gegeben, der EU-Bürgern begrenzte Klagerechte nach dem US Privacy Act eröffnete – ein Schritt, der das „Privacy Shield“ flankierte. Ein weitergehendes Datenschutz-Abkommen, dem sowohl US-Kongress als auch EU-Parlament zustimmen, könnte dem Wechselspiel präsidialer Verordnungen entzogen sein und dadurch mehr Beständigkeit bieten.
Allerdings sind die politischen Hürden für ein solches Abkommen hoch, insbesondere da tiefergehende Reformen der US-Nachrichtendienstgesetze erforderlich wären. Dennoch könnten zukünftige Verhandlungen (vielleicht unter veränderten Machtkonstellationen) auf einen „Privacy Shield 3.0“ hinauslaufen, der die Lehren aus Schrems II und einem eventuellen Schrems III zieht. Dabei würde sicher eine enger begrenzte Überwachungspraxis in den USA sowie echte richterliche Kontrolle im Zentrum der Forderungen der EU stehen.
Gerichtsentscheidungen und Schrems III
Unabhängig von politischen Entwicklungen ist zu erwarten, dass der Europäische Gerichtshof erneut über den transatlantischen Datentransfer entscheiden wird. Schon jetzt liegen dem EuGH oder nationalen Gerichten Klagen gegen das DPF vor (z.B. von Datenschutzaktivisten wie NOYB/Schrems). Ein Urteil „Schrems III“ könnte Mitte der 2020er Jahre ergehen. Dabei wird der EuGH prüfen, ob die USA durch die seit 2022 ergriffenen Maßnahmen nun ein der EU gleichwertiges Datenschutzniveau bieten. Kritische Punkte sind weiterhin die Breite der Überwachungsbefugnisse (z.B. nach FISA §702) sowie die Unabhängigkeit und Effektivität des DPRC.
Sollten zwischenzeitlich US-Maßnahmen (unter Trump) die Lage verschlechtern – etwa weil das PCLOB geschwächt ist oder EO 14086 entschärft wurde – würde dies die Chancen des DPF vor Gericht mindern. Es ist nicht auszuschließen, dass der EuGH auch dieses Abkommen kippt, falls er zu dem Schluss kommt, dass fundamentale Rechte der EU-Bürger nicht gewahrt sind. Für Unternehmen hieße dies, erneut binnen kurzer Zeit ihre Transfergrundlagen umstellen zu müssen. Daher ist das Verfolgen der Gerichtsverfahren und frühzeitiges Reagieren auf Tendenzen darin ein wichtiger Bestandteil der strategischen Planung.
Bedeutung des US-CLOUD Act und anderer US-Gesetze
Auch jenseits der Nachrichtendienst-Thematik (die im Zentrum von Privacy Shield und DPF stand) beeinflussen US-Gesetze den Datenschutz aus EU-Sicht. Hervorzuheben ist der 2018 erlassene CLOUD Act (Clarifying Lawful Overseas Use of Data Act). Dieser regelt, dass US-Strafverfolgungsbehörden unter bestimmten Voraussetzungen Zugriff auf Daten erhalten können, die von US-Unternehmen gespeichert sind – selbst wenn sich diese Daten physisch in Europa befinden. Für EU-Unternehmen bedeutet das: Eine Datenlokalisierung in der EU schützt nicht zwingend, wenn der Anbieter dem US-Recht unterliegt.
Der CLOUD Act hebt teilweise geografische Grenzen auf und erlaubt US-Behörden, z.B. per Durchsuchungsbefehl, Inhalte von Kommunikationsdiensten auch aus EU-Rechenzentren anzufordern. Das DPF an sich adressiert diese Thematik nicht direkt, da es sich auf den Datenschutz im kommerziellen Kontext und die Nachrichtendienstaufsicht Europäische Datenschützer haben aber durchaus Bedenken, dass US-Behörden via CLOUD Act oder Patriot Act an EU-Daten gelangen könnten, ohne den Garantien des DPF zu unterliegen. Zukünftige Verhandlungen müssten womöglich auch hier Klarheit schaffen – etwa durch bilaterale Abkommen zur Rechtshilfe (ein EU-US-Abkommen nach Vorbild der CLOUD-Act-Abkommen, wie es zwischen USA und UK besteht). Solche Schritte würden die transatlantische Vertrauensbasis weiter stärken. Für Unternehmen bleibt einstweilen wichtig zu wissen, dass neben der DSGVO auch andere Rechtsordnungen auf ihre Daten zugreifen könnten. Eine ganzheitliche Compliance-Strategie sollte daher US-Regularien (wie CLOUD Act, aber auch etwaige US-Bundesstaatengesetze zum Datenschutz) einbeziehen, soweit man Geschäfte mit US-Dienstleistern macht.
Zusammenfassend ist die Zukunft des transatlantischen Datenschutzes derzeit mit einigen Fragezeichen versehen. Worst-Case wäre ein Ende des DPF ohne Ersatz, was faktisch auf einen dauerhaft streng eingeschränkten Datenverkehr hinausliefe. Best-Case wäre die Fortführung des DPF mit nur geringfügigen Anpassungen und einer Trump-Regierung, die trotz rhetorischer Vorbehalte die wirtschaftliche Notwendigkeit dieses „Daten-Pakts“ anerkennt. Realistisch ist, dass sich die Rechtslage in den kommenden Jahren weiterentwickelt, sei es durch Gerichte oder erneute politische Kompromisse. Unternehmen tun gut daran, sich nicht auf eine einzige Lösung zu verlassen, sondern flexibel zu bleiben. Die nächsten Abschnitte geben konkrete Empfehlungen, wie man sich operativ auf etwaige Änderungen vorbereiten kann.

Praktische Maßnahmen für Unternehmen
Angesichts der beschriebenen Unsicherheiten sollten sich Unternehmen, die personenbezogene Daten in die USA übermitteln, proaktiv wappnen. Folgende praktische Schritte und Vorkehrungen sind empfehlenswert, um auf eine mögliche Aufhebung oder Aussetzung des DPF vorbereitet zu sein:
Alternative Transfermechanismen bereithalten
Verlassen Sie sich nicht ausschließlich auf das DPF, sondern schaffen Sie parallele Rechtsgrundlagen für Ihre Datenexporte. Insbesondere Standardvertragsklauseln (Standard Contractual Clauses – SCCs) sollten als Backup implementiert werden. Prüfen Sie, ob mit Ihren US-Dienstleistern bereits aktuelle EU-Standardvertragsklauseln abgeschlossen werden können – viele große Cloud-Anbieter bieten dies standardmäßig an. So haben Sie im Fall eines DPF-Wegfalls umgehend eine gültige Transfergrundlage.
Achten Sie darauf, die neuesten SCC-Versionen (2021) zu nutzen und diese vollständig auszufüllen (inklusive der Anhänge zu technisch-organisatorischen Maßnahmen). Für konzerninterne Transfers sollten gegebenenfalls Binding Corporate Rules (BCRs) in Betracht gezogen werden. Falls Ihr Unternehmen bereits BCRs einsetzt oder darauf hinarbeitet, überprüfen Sie, ob deren Geltungsbereich alle relevanten Datentransfers in die USA abdeckt. BCRs bieten eine robuste, von Behörden genehmigte Lösung – deren Einrichtung erfordert aber Vorlaufzeit, weshalb frühzeitige Planung wichtig ist.
Transfer-Folgenabschätzung und zusätzliche Schutzmaßnahmen
Die Erfahrung aus Schrems II zeigt, dass juristische Instrumente allein oft nicht genügen, wenn die Rechtsordnung des Empfängerlandes problematisch ist. Unternehmen sind verpflichtet, für Datentransfers eine Transfer Impact Assessment (TIA) durchzuführen. Nutzen Sie dieses Instrument, um Risiken des US-Datenzugriffs systematisch zu bewerten. Fragen Sie sich: Welche Daten übertragen wir? Sind es hochsensible Informationen (z.B. Gesundheitsdaten) oder eher gewöhnliche Kundendaten? Welche US-Gesetze könnten darauf Anwendung finden (FISA, CLOUD Act, Patriot Act)?
Auf Basis der Risikoanalyse sollten zusätzliche technische Schutzmaßnahmen ergriffen werden: Verschlüsselung ist hier das A und O. Stellen Sie sicher, dass personenbezogene Daten möglichst Ende-zu-Ende verschlüsselt übertragen und – wo machbar – auch verschlüsselt in den USA gespeichert werden. Idealerweise behalten EU-basierte Stellen die alleinige Kontrolle über die Entschlüsselungsschlüssel (Bring Your Own Key), sodass selbst im Fall eines behördlichen Zugriffs in den USA kein Klartext herausgegeben werden kann.
Ergänzend kann Pseudonymisierung helfen: Übermitteln Sie an US-Dienstleister nach Möglichkeit nur pseudonymisierte Datensätze und bewahren Sie die Zuordnungsinformationen in Europa auf. So sind die Daten für Dritte weniger aussagekräftig. Prüfen Sie außerdem Einsatzmöglichkeiten von Privacy-Enhancing Technologies (PETs) wie Homomorpher Verschlüsselung oder Secure Multi-Party Computation, falls Ihr Anwendungsfall das zulässt – diese ermöglichen bestimmte Verarbeitungen, ohne dass der Dienstleister die Daten im Klartext sieht.
Datenflüsse kartieren und gegebenenfalls reduzieren
Verschaffen Sie sich einen klaren Überblick, welche personenbezogenen Daten Ihr Unternehmen in die USA übermittelt. Oft erfolgt der Datentransfer nicht nur bewusst (etwa bei der Auftragsverarbeitung durch einen US-Cloudanbieter), sondern auch indirekt – z.B. durch eingebundene Drittservices auf der Website (Fonts, Analytics, CDN) oder via konzerninterne IT-Prozesse. Führen Sie ein detailliertes Datenfluss-Verzeichnis: Welche Datenkategorien gehen an welchen Empfänger in den USA, zu welchem Zweck, auf welcher Grundlage? Auf Basis dieser Bestandsaufnahme bewerten Sie, welche Transfers geschäftskritisch und welche eventuell verzichtbar sind. Wo immer möglich, sollte der Grundsatz gelten: Datenexport nur bei Notwendigkeit.
Nicht erforderliche oder unbewusste Übermittlungen (etwa das Laden von US-Tracking-Skripten auf Ihrer Website) können oft durch EU-basierte Alternativen oder durch Konfiguration vermieden werden. Datenportabilität innerhalb der EU kann gefördert werden, indem man etwa für europäische Kunden EU-Rechenzentren anbietet. Viele große US-Cloudanbieter haben inzwischen „EU Regions“ oder Datenlokalisierungsangebote – ziehen Sie diese vor, um den Personenbezug der exportierten Daten zu verringern. Zwar, wie erwähnt, schützt rein geographische Speicherung nicht vor US-Zugriff, aber juristisch reduzieren sich die übertragenen personenbezogenen Daten und damit der Anwendungsbereich von Art. 44 DSGVO. Kurz: Halten Sie Ihre Datenexporte so schlank wie möglich.
Verträge und Policen anpassen
Überprüfen Sie Ihre Datenschutzverträge, Dienstleistungsverträge und internen Policen im Lichte eines möglichen DPF-Wegfalls. Haben Sie in Verträgen mit US-Dienstleistern bereits Regelungen, was passiert, wenn die bisherige Transfergrundlage entfällt? Viele moderne Verträge enthalten Klauseln, wonach automatisch auf SCCs umgestellt wird. Falls nicht, suchen Sie frühzeitig das Gespräch mit Ihren Dienstleistern, um vertragliche Änderungsvereinbarungen vorzubereiten. Aktualisieren Sie auch Ihre Datenschutzhinweise gegenüber Kunden und Mitarbeitern.
Diese sollten transparent darlegen, in welche Länder (insb. USA) Daten fließen und auf welcher Grundlage. Im Fall erhöhter Unsicherheit können Sie auch eine Einwilligung der Betroffenen (Art. 49 Abs. 1 lit. a DSGVO) für bestimmte Übermittlungen einholen – dies muss aber ausdrücklich und informiert geschehen, und eine Einwilligung ist jederzeit widerrufbar. Sie sollte daher nur als ultima ratio für nicht anders lösbare Transfers genutzt werden. Dennoch: Kommunizieren Sie offen über eventuelle Änderungen beim transatlantischen Datentransfer, um Vertrauen zu erhalten und Betroffenen die Möglichkeit zu geben, informierte Entscheidungen zu treffen.
Beobachtung der Rechtslage und Agilität
Stellen Sie sicher, dass Ihr Unternehmen frühzeitig von Änderungen in Gesetzgebung oder Rechtsprechung erfährt. Abonnieren Sie Newsletter von Datenschutzaufsichtsbehörden oder spezialisierten Kanzleien, die über Schrems III oder regulatorische Entwicklungen berichten. Implementieren Sie einen internen Prozess, um auf neue Anforderungen agil reagieren zu können – z.B. ein Task-Force-Team aus Rechtsabteilung, IT-Sicherheit und Datenschutz, das im Ernstfall schnell Maßnahmen (wie das Deaktivieren bestimmter Transfers oder Implementieren neuer Klauseln) umsetzen kann. Es kann hilfreich sein, Szenarien durchzuspielen („Table-Top Exercises“): Was tun wir, wenn morgen das DPF für ungültig erklärt wird? Wer informiert Kunden, wer stoppt welche Datenflüsse, welche Übergangslösungen haben wir? Solche Übungen erhöhen die Reaktionsfähigkeit erheblich.
Technologische Unabhängigkeit und Diversifizierung
Langfristig kann es für EU-Unternehmen sinnvoll sein, die technologische Abhängigkeit von US-Dienstleistern zu verringern. Prüfen Sie europäische Alternativen bei Cloud- und Softwareangeboten (Stichwort „Europa-Cloud“ oder „GAIA-X“-Initiative). Eine Multi-Cloud-Strategie kann Risiken verteilen – etwa indem man nicht alle Daten und Workloads bei einem einzigen US-Anbieter hostet, sondern z.B. kritische Daten bei einem EU-Anbieter und weniger kritische bei einem US-Anbieter. Sollten wirklich einschneidende Restriktionen kommen, stehen Sie so besser da, als wenn Ihr kompletter Betrieb an einem transatlantischen Nabel hängt.
Zusammenarbeit mit Fachleuten
Ziehen Sie bei Unsicherheiten rechtliche Beratung hinzu – gerade im komplexen Feld internationaler Datentransfers kann ein spezialisiertes Anwaltsgutachten hilfreich sein, um eigene Risiken einzuschätzen. Auch Datenschutz-Zertifizierungen oder Audits (z.B. nach ISO 27701) können genutzt werden, um Schwachstellen in der Datenexport-Compliance zu identifizieren. Teilen Sie Erfahrungen in Branchenverbänden oder Arbeitskreisen – viele Unternehmen stehen vor ähnlichen Herausforderungen, und ein Austausch über Best Practices (etwa wirksame Verschlüsselungslösungen oder Vertragsklauseln) kann den Weg ebnen.
Fazit
Die transatlantische Datenübermittlung befindet sich an einem sensiblen Punkt. Eine neue Trump-Regierung könnte – muss aber nicht – das fragile Gleichgewicht im Datenschutz erneut stören. Unternehmen sollten sich nicht in falscher Sicherheit wiegen, sondern aktiv Vorkehrungen treffen. Die Implementierung alternativer Transferinstrumente, technische Datenschutzmaßnahmen und eine vorausschauende Datenschutzstrategie sind entscheidend, um auf „Plan B“ vorbereitet zu sein. Gleichzeitig bleibt zu hoffen, dass auch künftig eine politische Lösung gefunden wird, die den berechtigten Datenschutzbedenken Europas Rechnung trägt und zugleich den freien Datenfluss ermöglicht. Bis dahin gilt: Vorbereitet sein ist besser, als von heute auf morgen improvisieren zu müssen. Europäische Unternehmen, die jetzt handeln, werden die kommenden Entwicklungen im transatlantischen Datenschutz deutlich besser meistern können.
FAQ
Was ist das EU-US Data Privacy Framework (DPF)?
Es ist ein Datenschutzabkommen zwischen der EU und den USA, das den Transfer personenbezogener Daten unter bestimmten Bedingungen erlaubt.
Welche Risiken bestehen unter einer neuen Trump-Regierung?
Eine Aufhebung oder Abschwächung der Datenschutzgarantien könnte dazu führen, dass das DPF von der EU für ungültig erklärt wird.
Welche Alternativen gibt es zum DPF?
Standardvertragsklauseln (SCCs) und Binding Corporate Rules (BCRs) können als alternative Transfermechanismen genutzt werden.
Wie können Unternehmen sich vorbereiten?
Unternehmen sollten SCCs implementieren, ihre Datenflüsse überprüfen, Verschlüsselung einsetzen und alternative Datenschutzstrategien in Erwägung ziehen.
Welche Rolle spielt der CLOUD Act?
Der CLOUD Act erlaubt es US-Behörden unter bestimmten Bedingungen, auf Daten zuzugreifen, die von US-Unternehmen gespeichert werden, auch wenn diese sich in Europa befinden.
Wird das DPF voraussichtlich bestehen bleiben?
Das hängt von politischen Entwicklungen und möglichen Gerichtsentscheidungen ab. Unternehmen sollten daher alternative Mechanismen bereithalten.