#

zur Blogübersicht

Weitere Abmahnung wegen Google Web Fonts von Rechtsanwalt Nikolaos Kairis

Okt 6, 2022

Lawyer

Ein weiterer Kollege scheint seine Vorliebe zur Durchsetzung der datenschutzrechtlichen Interessen Betroffener gefunden zu haben. Jedenfalls erreicht uns aktuell eine Vielzahl von Abmahnungen des Rechtsanwalts Nikolaos Kairis im Auftrag eines Herren, in welchem es, wie auch bei der Abmahnung durch Herrn Rechtsanwalt Kilian Lenard, um einen angeblichen Datenschutzverstoß aufgrund der dessen Ansicht nach rechtswidrigen dynamischen Einbindung von Google Web Fonts auf der Webseite der Abgemahnten geht, da die IP-Adressen der Webseitenbesucher ohne deren Einwilligung an Google in die USA weitergeleitet werden würden.

Die rechtliche Würdigung durch Kollege Kairis

Herr Rechtsanwalt Kairis stellt zunächst fest, dass der Abgemahnte nicht über die Zustimmung des Mandanten verfüge, dessen IP-Adresse durch die Nutzung von Google Fonts an den Google-Konzern weiterzuleiten.

Aus diesem Grund habe der Mandant verschiedene Ansprüche, unter anderem aus der DSGVO und dem BGB. So wird ausgeführt, sein Mandant habe einen Anspruch auf Löschung und Unterlassung gem. Art. 17 DSGVO sowie §823 Abs. 1 i.V.m. §1004 BGB. Da eine Wiederholungsgefahr bestehe, sei nach aktueller Rechtsprechung die Unterlassung explizit zu bestätigen.

Zudem wird ein Anspruch auf Auskunft über die Datenverarbeitung entsprechend Art. 15 DSGVO geltend gemacht.

Zuletzt bestehe auch ein Anspruch auf Schadenersatz entsprechend Art. 82 Abs. 1 DSGVO, da die Datenweitergabe den Mandanten “einen tatsächlichen und wirtschaftlichen Nachteil” spüren lasse. Sein Mandant habe keine Kontrolle mehr über die Information der IP-Adresse und deren Nutzung, da dieser aufgrund der in den USA nicht geltenden DSGVO nicht wisse, was Google mit den ohne dessen Einverständnis übertragenen Informationen “weite” macht.

Sodann bewerte er den immateriellen Schadenersatzanspruch mit 140,00 EUR.

Hiernach wird, wie in den Abmahnungen anderer Kanzleien, auf einen bunten Strauss von Urteilen verwiesen, die den Betroffenen Schmerzensgelder von bis zu 2.500,00 EUR zugesprochen hätten.

Was fordert Rechtsanwalt Nikolaos Kairis im Namen seines Mandanten?

Nach all diesen Ausführungen bietet der beauftragte Kollege freundlicherweise eine Vergleichsmöglichkeit an. Der Abgemahnte habe die Kosten seiner Tätigkeit zu tragen, die sich auf 30,00 EUR zzgl. Auslagen i. H. v. 20,00 EUR belaufen würden. Zusammen mit den 140,00 EUR, die Herr Kairis in diesem Fall als angemessenes Schmerzensgeld erachtet, und der gesetzlichen Umsatzsteuer, wird somit insgesamt eine Summe von 226,10 EUR gefordert, bei deren Zahlung sämtliche Ansprüche des Mandanten verglichen sein sollen.

Einsatz von Google Web Fonts = Datenschutzverstoß?

Google Web Fonts ist aktuell auf vielen Internetseiten im Einsatz und sind nichts anderes als eine Möglichkeit, verschiedenste Schriftarten anzeigen zu lassen, ohne dass diese auf dem Endgerät des Webseitenbesuchers zuvor installiert werden müssten. Viele Betreiber einer Internetseite wissen oftmals überhaupt nicht, dass Google Web Fonts auf ihrem Internetauftritt im Einsatz sind, da diese oft Teil von Plug-Ins oder anderen Paketen sind, und nicht gesondert auf der Webseite “installiert” werden müssen.

Wenn Google Web Fonts dabei nicht lokal auf der Webseite eingebunden sind (wie das geht lässt sich durch eine kurze Recherche im Internet herausfinden), sondern “dynamisch”, kann bei Aufruf der Webseite die IP-Adresse des Besuchers, die spätestens seit Inkrafttreten der DSGVO grundsätzlich ersteinmal als personenbezogenes Datum gilt,  tatsächlich an Google in die USA übertragen werden. Google selbst könnte jedoch nur den Personenbezug herstellen, wenn das Unternehmen an den Internetprovider des Besuchers herantritt und Auskunft verlangt, was wohl in den allerseltensten Fällen erfolgen dürfte.

Zudem gibt Google selbst an, die IP-Adressen überhaupt nicht zu protokollieren, was eine spätere Identifikation des Webseitenbesuchers ebenfalls unmöglich machen dürfte.

Auch ist nicht sicher, dass die IP-Adresse überhaupt an Google in die USA übertragen wurde, da für Datenübermittlungen immer die kürzeste Verbindung gewählt wird, so dass die Google Web Fonts aller Wahrscheinlichkeit nach überhaupt nicht über Google Server in den USA geladen wurden, sondern vielmehr über sog. Google Global Cache Server, von denen es mehrere weltweit, unter anderem in Frankfurt am Main, gibt. Der in Mitteleuropa eingerichtete Cacheserver ist dabei einer der weltweit leistungsfähigsten.

Abmahnung erhalten – und jetzt?

Zunächst sollte geklärt werden, ob auf der eigenen Webseite tatsächlich überhaupt Google Web Fonts im Einsatz sind und ob hierbei ggf. Änderungen (siehe oben) vorgenommen werden sollten. Uns liegen mehrere Abmahnungen vor, bei denen nachweislich seit bereits mehreren Monaten Google Web Fonts lokal eingebunden sind und somit keinerlei Schriftarten über Google Server geladen werden.

Des Weiteren ist selbstverständlich jeder Fall einzeln zu bewerten, die uns vorliegenden Schreiben weisen jedoch einige Ansatzpunkte auf, welche die ausgesprochene Abmahnung unserer Ansicht nach unberechtigt bzw. angreifbar erscheinen lassen, so dass zu empfehlen ist sich hier anwaltlich beraten zu lassen.

So ist bereits die ordnungsgemäße Bevollmächtigung anzuzweifeln. Es wird lediglich der Name des Mandanten in den Raum geworfen, ohne jedoch eine ladungsfähige Anschrift mitzuteilen. Vielleicht um die Geltendmachung möglicher Gegenansprüche des Abgemahnten zu erschweren.

Zudem wird nicht dezidiert vorgetragen, worin jetzt genau der angeführte “tatsächliche und wirtschaftliche Nachteil” des Mandanten besteht. Nur die Behauptung dass, wenn überhaupt, tatsächlich ein Datenschutzverstoß bestünde, führt nicht “automatisch” zu Schmerzensgeldansprüchen des Betroffenen. Vielmehr ist detailliert darzulegen, warum und wieso ein Solcher in gerade diesem konkreten Fall vorliegt. Hierüber schweigt sich der Kollege jedoch aus.

Auch Details zu der Frage, warum der Kollege den seiner Ansicht nach bestehenden Schmerzensgeldanspruch ausgerechnet mit 140,00 EUR bewertet, bleiben ungeklärt.

Zudem führt der Betroffene – vermutlich – die abgemahnten Rechtsverstöße, aufgrund der schieren Masse der Abmahnungen ggf. auch unter dem Einsatz von sog. “Webcrawlern”, vorsätzlich herbei, was ebenfalls gegen das Bestehen des in Rede stehenden Schmerzensgeldanspruchs spricht.

Weiterhin könnte die Überlegung aufkommen, ob hier nicht sogar rechtsmissbräuchliches Verhalten vorliegt, bei dem nicht die Wahrung der Betroffenenrechte, sondern andere Interessen im Vordergrund stehen.

Auskunftsanspruch sollte beantwortet werden!

Das Schreiben sollte auf jeden Fall nicht gänzlich unbeantwortet bleiben. Eine Besonderheit des Abmahnungsschreibens besteht nämlich darin, dass der Kollege neben der Geltendmachung des Schmerzensgeldanspruchs auch das Auskunftsrecht seines Mandanten gem. Art. 15 DSGVO geltend macht, das jedem Menschen, unabhängig von anderen Voraussetzungen, zusteht und innerhalb eines Monats nach Eingang des Schreibens auch beantwortet werden sollte.

Zivilrechtliche Beweislast

Zuletzt sei noch darauf hingewiesen, dass die Beweislast, anders als im Datenschutzrecht, nicht bei den Abgemahnten, sondern bei dem Abmahner liegt. Entsprechend muss dieser vor Gericht beweisen, dass die behaupteten Umstände auch tatsächlich vorliegen. Auch wenn das grundsätzlich nicht ausgeschlossen ist, wird es vorliegend jedoch aus verschiedenen Gründen relativ schwierig werden, da Herr Kairis beispielsweise beweisen müsste, dass die IP-Adresse seines Mandanten zum Zeitpunkt des behaupteten Aufrufes der Webseite tatsächlich – unverschlüsselt – an Server in die USA übertragen wurde und nicht, wie bereits dargelegt, aller Wahrscheinlichkeit nach an den Server in Mitteleuropa.

Da Google angibt die IP-Adresse nicht zu speichern, dürfte dies ein recht interessantes Unterfangen werden…

Aktuelle Beiträge